JÜDISCHES LEBEN

Walter Fritzler


Zeitzeuge Walter Fritzler (1939 ausgewandert; Originalauszüge aus einem Brief an seinen Schulfreund Ralph Drüke aus dem Jahre 2010)

„Vor 10 Jahren bin ich mit meiner jüdischen Frau in Oelde gewesen, genau 60 Jahre nach unserer Ausreise. Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder Martin, meine Schwester Lore sind in der Kristallnacht ins Gefängnis gebracht worden, meine Großmutter 70jährig, mein Bruder Georg blieben im Haus. Werend eine Gruppe ins Haus kam alles kaputt schlugen, eine Vollmilchkanne ausgegossen haben, durch ein Fenster im ersten Stock geworfen haben, unser Brot im noch brennenden Feuer im Herd verbrannt.

In der Kristallnacht hat man mehrere Juden zusammengetrieben mit Eisenstangen in den Rippen auf dem Trottoir gehalten. Am nächsten Mittag kamen alle nach Haus nur mein Vater saß noch 8 Tage im Kitken. Der damalige Bürgermeister (wie viele kein Nazi) lies mein Vater sagen ob es möglich sei auszuwandern, worauf mein Vater antwortete nur wenn man ihn freilassen würde. Sofort kam er frei. Machte er mit einer Schwägerin das erforderliche zur Auswanderung da zwei Brüder von meinem Vater im Konzentrationslager saßen.

Wir haben nie von einer Gesamtschuld gesprochen. Mein Vater war im ersten Weltkrieg an der Westfront bis vor Paris, versetzt nach der Ostfront nach Russland erst 1921 kam er zurück (7 Jahre). Nach Mutters sagen ein Hurra patriot mit Eiserneskreuz ausgezeichnet. – Ausgegrenzt, Ausgelöscht.

Was ich sehr klar im Gedächtnis habe, ist dass ein Lehrer mit seinen Schülern von der Evangelischen Schule fast jeden Mittag einen Kreis vor unserer Haustür machten und sie sangen: „Jude Itzig, Nasenspitzig, Augen eckig, Arschloch dreckig“ oder „Zöf Zöf Töf, da kommt ein Jud gefahren, in einem Kinderwagen, wo will der Jude hin, er will ja nach Jerusalem wo alle Juden sind." Solche Lieder musste mein Bruder Martin in seiner Schule mitsingen, sein Lehrer Schäfermeier zwang ihn dazu. Oder: „Wenns Judenblut vom Messer spritzt, dann geht noch mal so gut."

Vielen Dank für deine guten Wünsche. Natürlich nehme ich deine Grüße gerne an und erwidere dieselben aufrichtig von i Männchen zu i Männchen
verbleibe

Dein Walter



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